BMW 507 und Mercedes-Benz 300SL:Zwei für die Ewigkeit

Vor 55 Jahren wurden zwei automobile Kunstwerke geschaffen, der Mercedes-Benz 300SL und der BMW 507. Sie waren zu ihrer Bauzeit teuer und selten. Heute sind sie noch seltener und noch viel teurer. Die Geschichte von zwei Legenden.

Von Michael Specht

Ein paar Skizzen, mehr war es nicht, was der junge Industriedesigner Albrecht Graf Goertz 1954 aus seinem New Yorker Studio in einen Umschlag steckte und nach München schickte. Sie zeigten ein sportliches, zweisitziges Cabrio. Doch der Gang zur Post war keinesfalls zufällig. Goertz hatte einen Tipp bekommen. Sein Freund Max Hoffman, ein Emigrant aus Österreich, hatte ihm von Plänen berichtet, wonach BMW einen Roadster zu bauen beabsichtigte.

Hoffmann, ein visionärer Geschäftsmann, war nach dem Krieg in die USA ausgewandert und hatte sich dort die Verkaufslizenzen europäischer Autos gesichert, vornehmlich von Prestigemarken wie Mercedes, BMW und Porsche. Schnell avancierte der Selfmademan zum größten und erfolgreichsten Importeur Amerikas. Und bald war sein Einfluss so immens, dass die Werke ihm frühzeitig Einblick in ihre Modellplanungen gewährten. Also tauchte eines Tages auch eine Abordnung von BMW in München bei ihm in New York auf. Im Reisegepäck hatten sie einige Fotos - von einem Roadster mit V8-Motor. Hofmann war entsetzt. Wer sollte ein solches Unding kaufen? Also lenkten die BMW-Leute ein. Sie entschieden sich für die Skizzen von Goertz und luden den Designer schon wenige Wochen später nach München ein.

Keine zehn Monate später, im April 1955, steht dieses rassige Automobil mit dem Namen 507 im Waldorf-Astoria-Hotel in New York und feiert seine Weltpremiere. Der Zweisitzer schlägt ein. Und wie. Auf der IAA in Frankfurt im September wird der 507 umlagert und als "Traum von der Isar" bejubelt. Eine Schönheit, geschmeidig, vornehm, kraftvoll und mit fast schon italienischem Esprit. Ende 1956 geht der Roadster schließlich in Produktion.

"Four on the Floor"

Der 507 war der erste Top-Sportwagen von BMW nach dem Krieg und basierte auf einem verkürzten Chassis des Barockengel genannten 502. Von dem stammte auch der Motor, ein 3,2-Liter-V8. Seine Leistung erhöhten die Ingenieure von 140 auf 150 PS. Damit erreichte der 507 eine Höchstgeschwindigkeit von 190, 200 oder 220 km/h, je nach gewählter Hinterachsübersetzung. Da das Getriebe direkt am Motor saß, konnte man den Schalthebel auf dem Mitteltunnel platzieren - eine Position, die in den Fünfzigern noch äußerst selten war. Die lenkradschaltenden Amerikaner verpassten dem Vierganggetriebe denn auch prompt den Spitznamen "Four on the Floor". Flott geschaltet konnte der flache, nur 4,38 Meter lange und mit 1150 Kilo recht leichte Aluminium-Roadster den Spurt auf 100 km/h in unter zwölf Sekunden schaffen. Doch entsprechend durstig zeigten sich seine Doppelvergaser und die von BMW erstmals eingesetzte Beschleunigerpumpe. Rund 17 Liter Super pro 100 Kilometer soll der 507 geschluckt haben - im Durchschnitt, versteht sich.

Den überwiegend wohlhabenden Käufern dürfte das ziemlich egal gewesen sein, ebenso wie der anfängliche Kaufpreis von 26.500 Mark - ein Käfer Standard kostete 3790 Mark. Berühmtheiten wie Elvis Presley, Alain Delon, Ursula Andress und Toni Sailer dürfte das nicht mehr als ein Schulterzucken gekostet haben.

Warum nach nur 251 Exemplaren und der kurzen Bauzeit von 1956 bis 1959 Schluss war, darüber gab es viele Spekulationen. Man hatte eigentlich Großes vorgehabt. Max Hoffmann erwartete für Amerika einen Absatz von wenigstens 5000 Stück zu einem Preis von 5000 Dollar. Es kam anders. Aufgrund des Mangels an Werkzeugmaschinen musste der 507 weitgehend in Handarbeit zusammengesetzt werden, dadurch konnte BMW den Preis nicht einmal unter 9000 Dollar drücken. Der Verkauf war selbst bei dieser Summe nie kostendeckend, doch das Image der Marke verbesserte der 507 enorm.

Dass dieser Sportwagen überhaupt eine Chance bekam, hing im Wesentlichen an zwei Faktoren, der Hartnäckigkeit des damaligen BMW-Chefs Hanns Grewenig und dem Konkurrenten aus Stuttgart: Mercedes. Obwohl es schon erste Anzeichen einer herannahenden Finanzkrise gab, schmiedeten die Münchner eifrig Zukunftspläne. Man besaß schließlich den ersten deutschen V8-Motor der Nachkriegszeit, und Grewenig hatte ein Auge auf den einträglichen US-Markt geworfen. Doch der Aufsichtsrat in München sagte nein, das finanzielle Risiko sei zu groß. Den Wendepunkt leitete Mercedes ein. Die Stuttgarter brachten 1954 die Straßenversion ihres erfolgreichen Rennwagens 300SL auf den Markt. Dessen Premiere fand ebenfalls in New York statt. Schnell schlugen sich die einstigen Zweifler auf die Seite Grewenigs. Das Projekt 507 nahm seinen Lauf.

Der Mercedes SL zielte auf Amerika

Unterdessen dachte man auch bei Mercedes über eine offene Version des 300SL nach. Wilhelm Geiger leitete zu dieser Zeit die Abteilung Stilistik. Von Design sprach damals noch keiner. Geiger und sein Team verstanden es zwar, dem Roadster ein klassisches Charisma zu verpassen, doch die Faszination des legendären Flügeltürers erreichte die offene Version nie. Obwohl 1957 auf dem Genfer Autosalon der Öffentlichkeit präsentiert (Preis: 32.500 Mark), zielte er wie das Coupé auf Amerika, dort landete auch der Löwenanteil aller 1858 gebauten Roadster. Die Erstkäufer hießen unter anderem Clark Gable, Yul Brynner und - einmal mehr - Elvis Presley. Auch gekrönte Häupter wie der belgische König Baudouin oder König Hussein von Jordanien gehörten zum erlesenen Kundenkreis.

Im Gegensatz zum 507 besaß der 300SL nur sechs Zylinder. Dafür verfügte der Mercedes über eine damals revolutionäre Benzineinspritzung, die dem Dreiliter stramme 215 PS entlockte und ihn bis zu 228 km/h schnell machte. Auch hier hatte der Kunde die Wahl zwischen mehreren Achsübersetzungen. Zeitgenössische Tester schwärmten zwar von der Elastizität des Reihensechszylinders. Doch merklich wohler fühlte sich der Motor erst bei höherer Drehzahl, und der SL zeigte, wessen Gene er unterm Blech trug, jene des Mercedes Rennsports.

Der SL war zickig

All zu dynamisch durfte man es mit dem Roadster jedoch nicht treiben. Selbst wenn dies offiziell erlaubt war (1957 existierte in Deutschland außerhalb geschlossener Ortschaften kein Tempolimit). Zum einen beherrschten nur geübte Piloten die Zicken des recht primitiven Fahrwerks, zum anderen neigten die Trommelbremsen gern zum einseitigen Verzögern. Einen halbwegs moderaten Anhalteweg ermöglichten erst 1961 die Scheibenbremsen. Als dann ein weiteres Jahr später der Aluminiummotor den Graugussblock ablöste, war der SL zwar fit wie nie zuvor, sein Ende aber schon in Sicht. Am 8. Februar 1963 lief der letzte vom Band.

Gute Exemplare des SL Roadsters kosten heute bis zu 500.000 Euro. Nicht gerade wenig, jedoch vergleichsweise ein Schnäppchen zu dem, was die BMW-Szene aufruft: 507 rangieren um die 800.000 Euro, teilweise wird sogar bis zu einer Million Euro verlangt - falls denn überhaupt mal einer zum Verkauf steht.

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