BMW R 1200 GS Rallye:Gummikuh war gestern

Zum Modelljahr 2012 bietet BMW eine lediglich leicht überarbeitete Sonderauflage der GS. Doch die Rallyeedition ist mehr als oberflächliches Facelift: Sie bereitet die Käuferschaft sanft auf die Zukunft der Maschine vor. Eine Ausfahrt.

Sascha Gorhau

Kawasaki kann sich freuen. Mit 1093 verkauften Einheiten in den ersten vier Monaten 2012 ist das Modell ER-6n auf dem zweiten Platz der deutschen Zulassungsstatistik. Noch mehr freuen allerdings kann sich BMW: Die R 1200 GS ist nämlich auf dem ersten Platz mit 3125 verkauften Exemplaren. Und diesen ersten Platz belegt sie schon seit 2005. Ohne Unterbrechung. Da überlegt es sich BMW zweimal, ein solch erfolgreiches Modell zu überarbeiten. Auch die R 1200 GS - GS steht für Gelände und Sport - ist seit März 2004 nahezu unverändert geblieben. Zum Modelljahr 2012 legt BMW lediglich eine Rallyeedition der Erfolgsmaschine auf. Doch hinter der steckt mehr als eine Pseudomodifikation, um die eigene Stagnation zu zementieren. Die Standard-GS verkörpert das klassische Profil des reifen und liquiden männlichen BMW-Motorrad-Käufers. In unaufgeregtem Blau, klassischem Schwarz oder zeitlosem Silber ist die bayerische Reiseenduro vom großen Auftritt weit entfernt.

BMW R 1200 GS Rallye

Die Rallyeedition der BMW R 1200 GS ist ab 14.950 Euro zu haben.

(Foto: BMW)

Das soll sich ändern. Das dynamische Image der blau-weißen Automobile soll sich auch auf die Motorräder aus München übertragen. DIe Modellpalette wurde dazu in den letzten Jahren mit Roadstern und dem Supersportler S 1000 RR modernisiert. Als "Gummikühe" waren die Motorräder aus Bayern jahrzehntelang verschrien. Die Optik war bieder, die Technik langweilig. Dafür galt der Zweizylinder-Boxermotor als unverwüstlich. Diesen Ruf hat er noch immer.

Farbklecks: Der Heckrahmen ist knallrot geworden

Doch das Drumherum hat sich gewandelt. Die Rallye-Edition baut auf einem knallroten Heckrahmen. Blasphemie, seine Rahmen durfte früher nur Ducati bunt bemalen. Die Plastikverkleidung ist weiß, versehen mit rot-blauen Applikationen - die klassische Kriegsbemalung der sportlichen BMW-Fahrzeuge. Seien es die Pioniere der PS-starken M-Automobile aus den 80er Jahren oder die supersportliche BMW S 1000 RR, die im Jahr 2009 mit einer unglaublichen Literleistung von einem PS pro Kilogramm aus dem Stand die Klasse der Superbikes eroberte. Der Supersportler liegt in der aktuellen Zulassungsstatistik übrigens auf dem vierten Platz: 866 Menschen haben sich dieses 193-PS-Motorrad gekauft. Das ist eine beeindruckende Zahl für ein so radikales Sportbike.

Da fährt sich die R 1200 GS - auch in der Rallyeversion - deutlich sanfter. Die Sitzposition der großen Enduro ist bequem. Auch bei hohen Geschwindigkeiten schützt die Frontverkleidung gut vor Wind und Wetter. Und die Sitzbank ist auch in der Serienversion sehr bequem und reisetauglich, auch wenn deren Nähte in der Rallyeedition eine extravagantere Optik besitzen. Überhaupt sind die Modifikationen der Sonderauflage eher optischer Natur: Der Motor hat eine schwarze Beschichtung, die Tauchrohre der Gabel ebenfalls und die Einarmschwinge wurde in Grau gefärbt. Das Fahrverhalten überrascht positiv: denn ein so agiles Handling traut man diesem großen Motorrad im Stand nicht zu. Ist die Fuhre einmal in Fahrt, meistert sie sowohl die alpine Spitzkehre als auch lange Autobahnetappen ohne Mühen. Der kräftige Motor mit 110 PS und 115 Newtonmetern Drehmoment stellt dabei immer ausreichend Leistung zur Verfügung.

Der Boxermotor: Man mag ihn oder nicht

Das Prinzip des Boxermotors scheidet die Geister. Der kernige und unverwechselbare Klang des Aggregats befriedigt emotionale Bikerbedürfnisse, die bekannte Langlebigkeit des bayerischen Boxers beruhigt den Verstand. Am Gas in Schräglagen spürt man die Massenverschiebung der nach außen keilenden Zylinder allerdings deutlich. Beim Anlassen der Maschine im Stand ebenfalls. Der Verbrauch der GS ist ebenfalls nur Mittelmaß, im Testzyklus waren es ziemlich genau sieben Liter. Ansonsten beinhaltet die Rallyeversion der GS für einen Preis von 14.950 Euro einige normalerweise aufpreispflichtige Optionen wie Heizgriffe oder Kofferhalter.

Hervorzuheben ist die hervorragende Beleuchtungsanlage der bayerischen Reiseenduro, die Nachtfahrten viel von ihrem Schrecken nimmt. Für den Gegenverkehr allerdings sind die Lampen in der serienmäßigen Einstellung schon zu hell und die entgegenkommenden Fahrzeuge werden geblendet. Es kann natürlich auch sein, dass innerhalb des Süddeutsche.de-Testzyklus mindestens 50 Autofahrer fernlichthupende Grüße an die GS auf der anderen Fahrspur senden wollten. Ist aber wohl eher unwahrscheinlich.

Doch zurück zur aktuellen Zweirad-Zulassungsstatistik: Auch auf dem dritten Rang ist eine Maschine von BMW (R 1200 R), auf dem fünften ebenfalls - die BMW F 800 R. Unter den ersten Fünf befinden sich insgesamt vier Maschinen aus München. So ist die aktuelle Zulassungsstatistik doch keine so erfreuliche Botschaft für Kawasaki. Das zweitbestplatzierte Modell der Japaner (Z 1000) liegt auf dem 15. Platz. Ein wesentlicher Grund dafür ist die konstante Dominanz von BMW.

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