Schacht Konrad:Friedhof der Strahlen

Schacht Konrad ist das erste genehmigte Endlager in Deutschland. Leicht kontaminierter Abfall soll dort landen - für hochradioaktiven Müll gibt es noch keinen Platz.

Arne Boecker

Wir schreiben das Jahr 2013: Jede Woche rollen in Salzgitter Lastwagen und Züge auf ein weitläufiges Industriegelände am Rande der Stadt. Früher stand hier mal ein Bergwerk. Dessen Name, Schacht Konrad, ist erhalten geblieben. Die Lastwagen und Züge abzufertigen, dauert nicht lange.

In einer Halle werden die Container, die sie nach Salzgitter geschleppt haben, von Staub und Schlamm gesäubert. Dann hebt sie ein Kran, der am Hallenhimmel montiert ist, in die Eingangskontrolle. Dringt auch wirklich keine Radioaktivität nach außen? Schließlich transportieren Förderkörbe die heiße Fracht herunter in den Schacht, wo sie zur Ruhe gebettet wird. Genauer gesagt: zur ewigen Ruhe.

"Etwas zu entsorgen, aber nichts zu verbergen"

Zwischen Anlieferung und Fahrt unter Tage liegen weniger als zwei Minuten. Kann es denn wirklich so simpel sein, Atommüll zu entsorgen? Nein, natürlich nicht: Das Szenario spielt im Infohaus des Endlagers Schacht Konrad. Als Modell im Maßstab 1:1000 wird hier die Zukunft gezeigt.

Per Knopfdruck können die Besucher Atommüll in der Erde versenken. Der tagespolitische Streit, ob die Laufzeit deutscher Atomkraftwerke verlängert oder gar neue gebaut werden, lenkt die Aufmerksamkeit erneut auf die Frage, wie der Atommüll so aufbewahrt werden kann, dass er weder Mensch noch Umwelt verstrahlt.

Schacht Konrad ist das erste deutsche Endlager, das gerichtsfest genehmigt ist. Derzeit wird die Anlage ober- und untertägig ausgebaut, damit der strahlende Abfall in fünf Jahren tatsächlich so reibungslos eingelagert werden kann, wie es das Modell des Infohauses suggeriert. Ein bisschen länger als zwei Minuten wird der Vorgang dann allerdings schon dauern.

"Wir haben etwas zu entsorgen, aber nichts zu verbergen", steht an der Fassade des neuen, schicken Infohauses in der Innenstadt von Salzgitter. Mit dem Auto braucht man nur ein paar Minuten, bis der Förderturm von Schacht Konrad am Horizont heranwächst. Von 1960 bis 1976 haben niedersächsische Kumpel hier sieben Millionen Tonnen Eisenerz aus der Erde gewuchtet. Dann kam die Idee auf, die Hohlkammern mit Atommüll zu verfüllen. Weil sich Bürger widersetzten, dauerte das Planfeststellungsverfahren ein Vierteljahrhundert; seit Anfang April 2007 ist der Beschluss rechtskräftig.

"Konrad" besteht aus Schacht 1 und Schacht 2. Schacht 1 pumpt Frischluft unter Tage, zudem transportiert er Arbeiter und Material. Mit jedem Meter, den der Förderkorb in die Tiefe rattert, wird es wärmer.

Viel Beton unter 800 Metern

Ein Jeep bringt Besucher zum Teilfeld 5.1. 800 Meter unter der Erde herrschen staubtrockene 30 Grad. Hier sollen 2013 die ersten Atommüll-Container eingelagert werden. Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), leuchtet mit der Grubenlampe in eine Hohlkammer. "Ich rechne damit, dass wir im Schacht Konrad bis 2040 etwa 280.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Müll aus Deutschland unterbringen müssen", sagt er.

Das Strahlenschutz-Bundesamt betreibt laut Atomgesetz deutsche Endlager. "Die Fässer mit dem Müll kommen in Container, die mit Beton ausgegossen werden", erklärt Wolfram König. "Dasselbe passiert mit den Hohlräumen, sobald die Container eingelagert sind." Über dem Eisenerz lagert eine bis zu 400 Meter dicke, wasserdichte Tonschicht. Die Kosten, die beim Umbau des Bergwerks in ein Endlager anfallen, könnten sich auf etwa zwei Milliarden Euro belaufen. Zwei Drittel tragen die Energieversorger, ein Drittel der Bund.

Fast einen Kilometer unter Salzgitter lärmen riesige Bagger. Experten kennen sie unter der Bezeichnung "Teilschnitt-Maschinen". Auf Laien wirken sie unheimlich, wie urzeitliche Wesen, die sich von Eisenerz ernähren. Nach vorn ragen zwei Fräsen, von denen jede mit 200 Meißeln bestückt ist.

Drei Grad zusätzlich

300 Meter sind die Kammern lang, die die Maschinen in das Eisenerz knabbern, sieben Meter breit und sechs Meter hoch. "Jede Teilschnitt-Maschine ist fünfzehn Meter lang und 135 Tonnen schwer", sagt Karl-Hermann Wildt von der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE). "Die Dinger haben tausend PS", sagt Wildt, "sie schaffen bis zu sieben Meter pro Tag."

Fachleute unterscheiden zwischen schwach- und mittelradioaktivem sowie hochradioaktivem Atommüll. Schacht Konrad wird schwach- und mittelradioaktiven Müll schlucken, der die Kammerwände um maximal drei Grad aufheizt. Der Großteil, wie etwa verstrahlter Bauschutt, Werkzeuge und Arbeitskleidung, stammt aus abgerissenen Atomkraftwerken und ehemaligen Forschungseinrichtungen.

"Was die Menge betrifft, reden wir hier über 90 Prozent des deutschen Atommülls", sagt BfS-Präsident Wolfram König. "Dessen Strahlung macht allerdings nur 0,1 Prozent der gesamten Radioaktivität aus, die deutscher Atommüll abstrahlt." Wohin der sehr viel gefährlichere hochradioaktive Müll gebracht werden soll, ist weiter unklar. Die Energieversorger wünschen sich ein Endlager im niedersächsischen Gorleben, Anti-Atom-Aktivisten und Wissenschaftler bezweifeln, dass der dortige Salzstock zum Endlager taugt.

Verdächtige Lauge

Für Schacht Konrad ist die Einlagerung von etwas mehr als 300.000 Kubikmetern Müll genehmigt. Unterhalb von Salzgitter gäbe es also noch Platz. Könnte man den nicht nutzen, um das Endlager Asse zu entlasten, das nur ein paar Kilometer von Salzgitter entfernt liegt? In der Asse wollte die Atomindustrie testen, wie man schwach- und mittelradioaktiven Müll sicher aufbewahrt. Das Endlager hat jüngst schlimme Schlagzeilen produziert.

In der Asse ist kontaminierte Salzlauge aufgetreten, die dann in tiefere Schichten gepumpt wurde. Die Herkunft der Lauge ist ungeklärt. "Die Asse ist eine schwere Hypothek für die Glaubwürdigkeit der sicheren Endlagerung", sagt BfS-Präsident König. Das Bundesamt verweist jedoch darauf, dass es erhebliche Unterschiede zwischen der Asse und dem Schacht Konrad gibt. Die Asse war ein Salz-, Konrad ein Eisenerz-Bergwerk, in die Asse strömen derzeit 12,5 Kubikmeter Wasser pro Tag, für Konrad wird gemeldet: "kein Wasserzutritt, knochentrocken". Hinzu kommt: Die Asse wurde auf der Grundlage des Bergrechts geplant, im Schacht Konrad gilt das weitaus rigidere Atomrecht.

Anderthalb Kilometer liegen zwischen den Konrad-Schächten 1 und 2. Am Schacht 2 wird derzeit besonders eifrig gearbeitet. Hier soll der atomare Abfall einmal unter die Erde gebracht werden. "Wir lassen das Mauerwerk des Schachts bis auf eine Tiefe von 1000 Metern sanieren", sagt der BfS-Präsident. Noch wirken Schacht 2 und die dazugehörige Maschinenhalle wie ein Museum. Dazu passt das "Glück auf!", mit dem sich die Arbeiter begrüßen. 2013 wird die Umgebung von Schacht 2 eher einem Containerbahnhof gleichen - so wie in dem Modell des Infohauses. Nur der Förderturm, der bleibt stehen. Er steht unter Denkmalschutz.

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