Tourismus:Operation Nutella

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Geschäfte nur noch für Touristen? Das will man in Amsterdam nicht hinnehmen.

(Foto: Katja Schnitzler)

Millionen Touristen suchen jedes Jahr Amsterdam heim. Nun wollen sich die Holländer ihre Stadt zurückholen - mit Regeln, die sie so lange wie möglich geheim hielten.

Von Thomas Kirchner

Amsterdam trägt Trauer. In der Nacht zu Freitag starb Bürgermeister Eberhard van der Laan an Lungenkrebs. Der integere und allseits beliebte Sozialdemokrat wurde 62 Jahre alt. "Kümmert euch gut um unsere Stadt und umeinander", hatte er die Bürger in einem Abschiedsbrief ermahnt. Stunden vor seinem Tod verkündete die Stadtverwaltung einen Beschluss, der van der Laans letzten Wunsch ernst nimmt. Einen Beschluss, der so ist, wie van der Laan auch manchmal sein konnte: recht ruppig.

Der Erlass versucht eine Entwicklung zu stoppen, die vielen touristisch attraktiven Metropolen zu schaffen macht. Es ist die wachsende Zahl von Läden, die nur wegen dieser Touristen existieren, die es allein gibt, um Gästen das Geld aus der Tasche zu ziehen: Souvenirläden, Schnellrestaurants sowie jene quietschfröhlichen Themen-Stores, für die in Amsterdam exemplarisch die Nutella-Läden stehen. "Ice Bakery" heißen sie, es gibt elf Stück davon, sie bieten in Nusscrème getränkte warme und kalte Süßigkeiten - und natürlich Nutella, das man im Albert-Heijn-Supermarkt um die Ecke günstiger bekäme, wenn auch nicht so hübsch drapiert.

Damit ist nun Schluss, im Stadtzentrum und auf Einkaufsmeilen wie der Leidsestraat oder der Harlemmerstraat. Bestehende Geschäfte dürfen bleiben, aber keine neuen hinzukommen. "Die Lage im Zentrum macht harte Maßnahmen nötig", sagt die stellvertretende Bürgermeisterin Kajsa Ollongren. "Es gibt zu viele Geschäfte mit einem einseitigen Angebot, das allein auf Touristen ausgerichtet ist." Immer mehr Einwohner machten sich Sorgen wegen der "Verarmung" der Innenstadt, auch weil sie auf Kosten alteingesessener, "normaler" Betriebe geht.

Der Bann ist umfassend. Betroffen sind alle Unternehmen, die mit Angebot, Werbung und Betriebsführung nur auf auswärtige Besucher abzielen, insbesondere aber jene Orte, wo sich die Touristen, wie es in de Volkskrant heißt, "schnell jene in Waffeln und Pizzas versteckten Kalorien reinhauen, die ihren Städtetrip am Laufen halten".

Der Stadtrat hatte den einstimmig verabschiedeten Beschluss einige Monate lang vorbereitet, aber geheim gehalten, um ein Last-Minute-Aufploppen neuer Geschäfte zu verhindern. Rechtlich betrete Amsterdam Neuland, sagt der Jurist Jon Schilder, ihm sei keine ähnliche Regelung bekannt. Ob sie vor Gericht Bestand hat, wird sich zeigen.

Der Beschluss reiht sich ein in das Bemühen der Verwaltung, den Massentourismus einzudämmen. 17 Millionen Auswärtige trampeln jährlich an den Grachten entlang, 2025 wären es 30 Millionen, wenn es so weitergeht. Man hat einiges unternommen: Die Vermietung von Wohnungen an Touristen ist meldepflichtig und auf 60 Tage im Jahr beschränkt, 30 Tage werden erwogen.

Neue Hotels dürfen nicht mehr eröffnet werden, Touristenbusse und -schiffe müssen ihre Last außerhalb der Innenstadt abladen. Das Stadtmarketing wurde eingestellt. Die mit einem Dutzend grölender Säufer bestückten Bierfahrräder sind verboten, Feste und Events stark reduziert. Es soll keiner glauben, Amsterdam sei eine einzige Feiermeile. Coffeeshops gibt es aber noch genügend.

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