Guttenberg:Der gefallene Held der CSU ist wieder da

Former German Defense Minister Karl-Theodor zu Guttenberg arrives at a CSU election campaign in Kulmbach

Die Menschen haben Sehnsucht nach Charismatikern. Doch das ist immer auch ein Wagnis.

(Foto: REUTERS)

Für die Anhänger Guttenbergs geht es gar nicht mehr um das Ob und Wann seiner Rückkehr, sondern nur noch um ein mögliches Amt. Das sagt viel aus, auch über den Wahlkampf.

Kommentar von Wolfgang Wittl

Er hat nur seinen ersten von neun Wahlkampfauftritten hingelegt, in der Stadthalle eines Ortes namens Kulmbach, der höchstens für Brauereien bekannt ist, nicht aber für Masseneuphorie. Er habe lediglich als "engagierter Bürger" gesprochen, als einer, "der vielleicht banale Dinge zu sagen hat", sagte er.

Und doch hat das politische Deutschland anschließend über kaum anderes philosophiert als über die Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg. Dabei ging es oft gar nicht mehr um das Ob und Wann, sondern nur noch um die Frage, welches Amt in einer neuen Bundesregierung der CSU-Mann demnächst übernehmen wird.

Ist das noch normal? Mitnichten. Genau deshalb sagt diese Aufgeregtheit so viel aus: über den Bundestagswahlkampf, der noch langweiliger sein muss als behauptet, sonst würde Guttenberg diese Aufmerksamkeit erst gar nicht zuteil. Noch mehr aber über das vorhandene Politikerpersonal, das eine tief schlummernde Sehnsucht der Menschen nach charismatischen Figuren weckt.

Sehnsucht bedeutet, dass man etwas vermisst. Die Sehnsucht sucht das Neue, das Unbekannte, das trotz aller Unwägbarkeiten besser sein soll als das Bekannte. In der Politik trägt dieses Phänomen inzwischen viele Gesichter. An ihnen lässt sich ablesen, dass die Sehnsucht immer ein Wagnis ist, aber keines, das immer belohnt wird.

Viele US-Bürger wünschten sich einen Präsidenten von außerhalb des politischen Systems, leben muss das Land jetzt mit Donald Trump. Die Europäer hatten bis jetzt mehr Glück: Die Franzosen haben ihre Sehnsucht nach Aufbruch mit Emmanuel Macron gestillt, nicht mit Marine Le Pen. Die Österreicher versuchen es vielleicht mit Sebastian Kurz. Beide sind jung, können hervorragend reden, beide beflügeln die Fantasie ihrer Anhänger.

Guttenberg ist 45, neu in der Politik ist er nicht. Aber auch er ist ein exzellenter Redner, an Fantasie mangelte es seinen Fans ohnehin nie. Schon jetzt weckt er wieder Erwartungen, die kein normaler Mensch erfüllen kann. Deshalb sollte er - anders als in seinem ersten Politikerleben - gar nicht so tun, als würde er solchen Ansprüchen gerecht werden.

Kulmbach hat gezeigt: Guttenberg spricht immer noch gefährlich gut - gefährlich für sich, weil er damit einen Wirbel auszulösen vermag, der ihn schon einmal abheben ließ. Politisches Gewicht aber erreicht man durch Handeln, nicht nur mit Reden. Und es hilft, nicht so schnell den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Horst Seehofer holt Guttenberg mit Macht zurück, obwohl er ihn einst als Rivalen empfunden hat. Im Spätherbst seiner Karriere bereitet der CSU-Chef die Zukunft seiner Partei vor, solange er die Kraft dazu hat. Seehofer braucht ein Gegengewicht zu Markus Söder. Vor allem glaubt er, dass eine Regionalpartei wie die CSU auf Guttenbergs Format nicht verzichten kann, will sie ihre bundespolitische Bedeutung behalten.

Sechseinhalb Jahre nach seiner Plagiatsaffäre hat Guttenberg das Recht auf Rückkehr. Dass sie näherrückt, hat er jetzt angedeutet. Zum ersten Mal hat er seinen Demutsbezeugungen ein kräftiges "Aber" angefügt: "Irgendwann ist auch mal gut." Alle, die bereits wieder vom Heilsbringer träumen, sollten aber wissen: Sehnsucht kann auch heißen, etwas zu verlangen, was nie in Erfüllung geht.

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