NSU-Prozess:Beate Zschäpe verliert ihre Oma - und damit ihre einzige Vertraute

NSU-Prozess: Zschäpe meldet sich zum ersten Mal zu Wort

Beate Zschäpe bezeichnete sich selbst als "Omakind". Nun ist ihre Großmutter gestorben.

(Foto: dpa)
  • Die Großmutter von Beate Zschäpe, der Hauptangeklagten im Prozess um die mutmaßliche Neonazi-Terrorzelle NSU, ist gestorben.
  • Zschäpe ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen und hatte ein enges Verhältnis zu ihr; während der Untersuchungshaft telefonierten die beiden jede Woche.
  • Welche Auswirkungen der Tod auf den Prozess haben wird, ist noch unklar.

Von Wiebke Ramm

Beate Zschäpes Großmutter ist gestorben. Am Montag hat die Hauptangeklagte im NSU-Prozess vom Tod ihrer wichtigsten Bezugsperson erfahren. Anneliese Apel war am 5. Dezember 93 Jahre alt geworden. Nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt war ihre Großmutter der einzige Mensch, zu dem Zschäpe eine enge emotionale Bindung hatte. Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel bestätigte den Tod der Großmutter am Dienstagmorgen. Der Prozess vor dem Oberlandesgericht München wurde trotz des Trauerfalls wie geplant fortgesetzt. Die 41-jährige Zschäpe wirkte auf der Anklagebank niedergeschlagen und übernächtigt. Richter Manfred Götzl erwähnte den Tod von Zschäpes Oma während des 329. Verhandlungstages zunächst nicht.

Für Zschäpe fällt der Tod ihrer geliebten Oma in eine ohnehin schwierige Zeit. Der psychiatrische Sachverständige hat in seinem vorläufigen Gutachten gerade die Sicherungsverwahrung für Zschäpe nahegelegt, sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass sie als Mittäterin Schuld an sämtlichen NSU-Verbrechen trägt. Die mutmaßliche Neonazi-Zelle hat zehn Menschen überwiegend aus rassistischen Motiven ermordet, mindestens zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verübt. Zschäpe drohen gut zwei Jahrzehnte hinter Gittern.

Zschäpe nannte sich selbst ein "Omakind"

Für Zschäpe wiegt der Verlust ihrer Großmutter schwer. Wiederholt hat sie die Liebe zu ihrer Oma betont. "Ich hatte und habe zu meiner Oma ein sehr inniges Verhältnis", hatte Zschäpe vor einem Jahr dem Gericht über ihren Anwalt mitgeteilt. Ähnliche Bedeutung hätten für sie nur Mundlos und Böhnhardt gehabt, mit denen sie fast 14 Jahre im Untergrund zusammengelebt und die sie als ihre Familie bezeichnet hat.

Sie sei ein "Omakind" hatte Zschäpe bei ihrer Verhaftung im November 2011 gesagt. Als Kind ist sie in Jena bei ihrer Großmutter aufgewachsen, ihre Mutter sah sie nur am Wochenende. Zschäpes Cousin, Stefan A., hatte vor Gericht berichtet, dass Zschäpes Mutter früher unter einem schweren Alkoholproblem gelitten habe. Während Zschäpe zu ihrer Oma ein sehr herzliches Verhältnis gehabt habe, sei die Beziehung zur Mutter schwierig gewesen. Die Großmutter habe sich in Zschäpes Kindheit um sie gekümmert, sie aus dem Kindergarten abgeholt, sie umsorgt. Ihre Oma war es auch, die ihrer Enkelin bis zuletzt regelmäßig Geld ins Gefängnis überwiesen hat.

Ihren rumänischen Vater hat Zschäpe nie kennengelernt. Er soll bis zu seinem Tod im Jahr 2000 mit einer neuen Familie als Zahnarzt in Nordrhein-Westfalen gelebt und die Vaterschaft nie anerkannt haben. Zschäpes Großvater ist bereits im Oktober 1996 gestorben.

In der Untersuchungshaft telefonierte Zschäpe jede Woche mit ihrer Oma

So war es ihre Oma, die Zschäpe am 8. November 2011 besuchen wollte, bevor sie sich der Polizei stellte. Am 4. November 2011 hatte Zschäpe nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos die letzte Wohnung der mutmaßlichen NSU-Terroristen in Zwickau in Brandt gesetzt und war vier Tage mit dem Zug durch Nord- und Ostdeutschland geirrt. Zschäpes Flucht endete in Jena. Ein Spürhund der Polizei konnte ihre Fährte bis in die Nähe der Wohnung verfolgen, in der Zschäpes Oma gemeinsam mit ihrer Mutter gelebt hat. Warum Zschäpe ihre Oma damals letztlich nicht mehr besucht hat, ist unklar.

Zschäpe hatte ihre Oma seit ihrer Flucht mit Mundlos und Böhnhardt im Januar 1998 nicht mehr gesehen. Unmittelbar vor ihrem Untertauchen hatte sich Zschäpe von ihrer Oma Geld geliehen, so hatten es Mutter und Großmutter im November 2011 einem Polizisten berichtet. Sie baten den Ermittler damals auch, Zschäpe auszurichten, dass sie ihre Familie, also ihre Mutter und ihre Oma, noch hat.

Die Großmutter war seit langer Zeit herzkrank. Im Januar und März 2012 war Zschäpe von Mutter und Großmutter in der Untersuchungshaft, damals noch in Köln, besucht worden. Im April 2012 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Oma nach einem schweren Sturz. Im Juni 2012 wurde Zschäpe in die Justizvollzugsanstalt Gera in Thüringen gebracht, damit ihre Oma ihre Enkelin sehen konnte.

Auf der Fahrt von Köln nach Gera sagte Zschäpe einem BKA-Beamten, sie habe eigentlich nicht schweigen, sondern aussagen wollen. Sie habe sich vor allem ihrer Oma erklären und sich dadurch entschuldigen wollen. Umgesetzt hat sie dieses Vorhaben nicht. Die Telefonate, die Zschäpe jeden Freitagnachmittag für eine halbe Stunde mit ihrer Großmutter von der Justizvollzugsanstalt aus geführt hat, wurden überwacht. Ihre letzten Tage hat Anneliese Apel im Krankenhaus verbracht.

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