Besuch in der Ukraine:Stadt des Taumelns

Besuch in der Ukraine: Die Bahn in Lemberg, wo es nach Wiener Kaffee und nach polnischem Weihrauch riecht: Sie hat keine Eile, sie zerschneidet nie die trockene, windige galizische Luft - sie taumelt voran.

Die Bahn in Lemberg, wo es nach Wiener Kaffee und nach polnischem Weihrauch riecht: Sie hat keine Eile, sie zerschneidet nie die trockene, windige galizische Luft - sie taumelt voran.

(Foto: Regina Schmek)

Lemberg könnte ein barocker Lunapark sein, Eintritt frei. Aber es ist auch eine Hochburg ukrainischer Nationalisten. Wie oft kann eine Stadt aus der Zeit fallen? Notizen aus einem sehr bunten Alltag.

Von Tim Neshitov

Es ist interessant, dass ausgerechnet diese Stadt als Wiege des ukrainischen Nationalismus hin und her schaukeln muss. Lemberg, wo bis zum Zweiten Weltkrieg die Ukrainer in der Minderheit waren, wo es heute noch nach Wiener Kaffee riecht und nach polnischem Weihrauch, nach sowjetischen Enzyklopädien in den Bibliotheken und nach mehreren Urinschichten in den neoklassizistischen Treppenhäusern. Eine Stadt, die aus der Zeit gefallen (und im Vergleich zur Ostukraine einigermaßen weich gelandet) ist. Aus der K.u.k.-Zeit ist sie gefallen, aus der UdSSR-Zeit, aus allen Epochen, die der liebe Gott dieser Gegend je beschert hat. Die Gegend heißt Galizien. Wie oft kann eine Stadt aus ihrer Zeit fallen?

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