Erdgasfund im Mittelmeer:Mediterrane Allianz

  • Mit der Entdeckung eines großen Gasfeldes im Mittelmeer hofft Ägypten, seine Energieprobleme in den Griff zu bekommen. Dem italienischen Eni-Konzern winken bei der Ausbeutung des Vorkommens hohe Profite.
  • Zugleich dürfte das Gasprojekt die Partnerschaft zwischen Rom und Kairo vertiefen, was vor allem Italien sehr gelegen käme.
  • Wie viel Gas wirklich im nun entdeckten Zohr-Feld steckt, ist allerdings unklar. Bisherige Angaben basieren auf Schätzungen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo, und Oliver Meiler, Rom

Es wäre eine gute Nachricht für Ägypten, sollte sich die Meldung des italienischen Energiekonzerns Eni bewahrheiten. Demnach hat das Unternehmen vor der Küste des nordafrikanischen Landes das bisher größte Gasfeld im Mittelmeer entdeckt, möglicherweise sogar eines der größten der Welt. Ein Vorkommen, das so groß sein soll, dass Ägypten - mit 90 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste arabische Land - seine Energiekrise in absehbarer Zeit überwinden und den stetig wachsenden Bedarf auf Jahrzehnte decken könnte. Das Land wird den Fund auch nicht mit Nachbarländern teilen müssen, denn das Feld liegt innerhalb der 200 Seemeilen-Zonen (370 Kilometer). Es solle so schnell wie möglich entwickelt werden, sagte ein Eni-Sprecher. Schon ab 2020 könnte das erst Gas strömen, das dann vor allem für den lokalen Markt bestimmt sei.

Energiemangel belastet Ägyptens Wirtschaft

Ägypten ist in den vergangenen Jahren vom Energieexporteur zum Importeur geworden. Der Mangel an fossilen Brennstoffen und Elektrizität ist eines der zentralen Hemmnisse bei der Entwicklung des Landes und belastet die Wirtschaft, vor allem die in Ägypten wichtigen Großbetriebe. Stromausfälle sind in vielen Landesteilen noch immer die Regel, gerade in der heißen Jahreszeit, auch wenn sich die Situation in der Hauptstadt Kairo gegenüber dem vergangenen Sommer deutlich gebessert hat. Der Fund könne Ägypten binnen fünf Jahren Energieunabhängigkeit verschaffen, so ein Sprecher des Ölministeriums in Kairo.

Die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern ist für die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi politisch überlebenswichtig. Sie baut derzeit Subventionen für Energie ab. Wenn das nicht wenigstens mit einer stabileren Versorgung einhergeht, wächst der Unmut. Auch deswegen hatten die verbündeten Golfstaaten dem Land zuletzt Öl und Raffinerieprodukte für Milliarden Dollar geliefert, allen voran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit dem Siemens-Konzern hat die Regierung in Kairo jüngst Verträge über den Bau des weltgrößten Gaskraftwerks geschlossen; auch sollen die Deutschen Windkraftanlagen errichten. Der Fund könnte für Ägypten auch den angestrebten Bau eines Atomkraftwerks durch russische Staatsfirmen weniger attraktiv machen, auch wenn es als wahrscheinlich gilt, dass die Regierung aus politischen Gründen an dem Projekt festhalten wird. Das Feld mit dem Namen "Zohr" ist nach Angaben von Eni 100 Quadratkilometer groß und liegt in 1450 Metern Tiefe im Mittelmeer. Nach ersten Erkenntnissen lagern dort fast 850 Milliarden Kubikmeter Erdgas, allerdings sind solche Schätzungen meist ungenau, da sie auf geologischen Untersuchungen beruhen und noch nicht auf Probebohrungen. Zum Vergleich: Das größte Gasfeld der Welt, South Pars, gelegen zwischen Iran und Katar im Persischen Golf, enthält etwa 43-mal so viel Gas und erstreckt sich auf mehr als 10 000 Quadratkilometer. Der Eni-Konzern, der zu 30 Prozent dem italienischen Staat gehört, hat 2014 einen Explorationsvertrag mit Ägypten geschlossen, der neben dem Mittelmeer auch Gebiete auf der Sinai-Halbinsel und im Nildelta umfasst. Die Entdeckung des großen Gasvorkommens dürfte auch Auswirkungen auf die Nachbarländer haben. Vor allem Israel könnte ins Hintertreffen geraten, das Land hat ebenfalls in die Ausbeutung von Gasfeldern im Mittelmeer investiert und sah in Ägypten bisher einen wichtigen potenziellen Abnehmer - ein für die Führung in Kairo politisch äußerst heikles Geschäft. In Italien löste der Fund begeisterte Reaktionen aus, zunächst natürlich in der Führungsetage des Ölkonzerns. Eni-Chef Claudio Descalzi sprach in der italienischen Presse von "Schaudern" und "Euphorie", die das Unternehmen erfasst hätten. Man ernte nun die Früchte eines langjährigen Engagements in Ägypten: Die "Ente Nazionale Idrocarburi", wie der Konzern mit vollem Namen heißt, ist schon seit 1954 dort tätig. Die Bohrrechte für das Gasfeld hält Eni allein, was die Gewinnchancen maximiert. An der Mailänder Börse legte die Eni-Aktie am Montag entsprechend stark zu. Trotzdem wird der Konzern noch viel Geld ausgeben müssen, bevor das erste Gas gefördert werden kann. Eni müsse zur Erschließung etwa 3,5 Milliarden Dollar investieren, sagte der Chef des staatlichen ägyptischen Versorgers Egas, Chaled Abdel Badie.

General view of Bp's offshore platforms in Valhall

Bald könnte auch vor Ägypten gebohrt werden. Das größte Gasfeld des Mittelmeers soll zügig erschlossen werden.

(Foto: Reuters)

Eni-Chef Descalzi war am Samstag nach Kairo gereist, um Präsident Sisi und Premier Ibrahim Mehleb persönlich zu informieren. Er habe sie "ganz aufgeregt" - "galvanisiert" erlebt, meinte Descalzi. In diesem Zustand war Präsident Sisi wohl auch noch, als Italiens Premier Matteo Renzi anrief. Die beiden, so richtete es danach das Amt des italienischen Regierungschefs aus, hätten sich über die Auswirkungen der Entdeckung auf die Energiestabilität in der Region unterhalten. Es sind dies auch aus italienischer Sicht nur in zweiter Linie wirtschaftliche Überlegungen. Rom setzt seit Sisis Machtübernahme mit öffentlichem Nachdruck auf den neuen starken Mann in Kairo, trotz der internationalen Kritik an der Beschneidung der Menschenrechte und politischer Repressionen. Renzi war der erste westliche Regierungschef, der Sisi nach dessen Amtseinführung mit einem Besuch bedachte. Sisis erste Europareise führte nach Rom.

An der Abhängigkeit von Russland ändert sich kurzfristig nichts

Da wächst also eine mediterrane Allianz, allen politischen Bedenken zum Trotz. Italien erhofft sich dadurch ein größeres geopolitisches Gewicht im Mittelmeerraum. Das Gas aus dem Zohr-Feld könnte die Verbindung langfristig sichern. Die Italiener streben auch danach, ihre Abhängigkeit von Russland und Libyen zu reduzieren, bisher ihre Hauptlieferanten von Gas. Die politische Ächtung Moskaus und der Bürgerkrieg in dem nordafrikanischen Land drängen zur Suche nach Alternativen. Eine rasche Lösung des Problems bedeutet der Fund in Ägypten für Italien trotz allem nicht. Eni beteuert zwar, man werde den Schatz sehr schnell heben können, bereits in wenigen Jahren sei man bereit. Für einen raschen Transport jenes Gases nach Italien, das Ägypten nicht für den Eigenbedarf braucht, fehlt aber eine Pipeline durch das Mittelmeer. Solange es diese nicht gibt, kann der Rohstoff nur in Form von Flüssiggas in Tankern nach Italien transportiert werden. Ägypten verfügt zwar über solche Anlagen, aber das Verfahren ist teuer und aufwendig. Italienische Experten warnen deshalb vor allzu viel Euphorie. Gabriele Iacovino vom Centro Studi Internazionali etwa sagte der Zeitung Il Fatto Quotidiano: "Noch reden wir hier nur von Schätzungen. Es ist utopisch zu glauben, wir könnten nun kurzfristig unsere Abhängigkeit von Russland überwinden."

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