SZ-Serie: Schätze und Schätzchen:Alles unter einem Dach

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Das Jüdische Museum Franken umfasst drei Häuser in Fürth, Schwabach und Schnaittach, historische Gebäude, von Juden erbaut und nunmehr lehrreiche Zeugen einer ausgelöschten Welt

Von Eva-Elisabeth Fischer, Fürth/Schwabach

Endlich ist man drin. Der Zugang zum schönen Haus Nr. 89 in der Königstraße wird nicht nur durch den Straßenverkehr, sondern durch einen Bauzaun erschwert. Das, was dahinter entsteht, ist allerdings ein Glücksfall. Denn hier wird gerade der Erweiterungsbau für ein historisches Juwel gebaut, der 2018 fertig sein soll. Auf der Nr. 89 nämlich befindet sich eines dieser properen, bestens renovierten Bürgerhäuser aus dem 17. Jahrhundert, das erste von drei Gebäuden, die den Verbund Jüdisches Museum Franken bilden und die allesamt einst von Juden erbaut und bewohnt wurden. Dies macht das Alleinstellungsmerkmal dieser einzigartigen Trias aus. Das Haus in Fürth wurde 1622 erbaut, dann im Dreißigjährigen Krieg zerstört und anschließend wieder aufgebaut.

1702 gehörte es den Fromms, vermögenden Juden, die, wie damals üblich, ihr eigenes rituelles Bad einbauten, eine Mikwe, zu der man als erste hinuntersteigt, hat man im Eingangsbereich Café, Buchhandlung und Kassentisch - alles mini, mini klein - hinter sich gelassen. Steile Treppen führen in ein enges feuchtes Kellergelass, das direkt aus dem Grundwasser gespeist wird. Man muss wegen des nassen Bodens schon aufpassen, wo man hintritt. Der Rundgang führt einen dann wieder treppauf in die Ausstellungsräume, in den mit 30 Plätzen beengten Veranstaltungsraum und schließlich unters bewegliche Dach, wo der zweite rituelle Raum zu sehen ist: die hauseigene Sukka.

In Erinnerung an die Wanderschaft der Juden in der Wüste, da sie in Zelten und unbefestigten Hütten lebten, wird im Herbst Sukkoth, das Laubhüttenfest gefeiert. Damit so eine Hütte als koscher gilt, müssen die Maße stimmen, und man muss durch das begrünte Dach die Sterne sehen können. Deshalb haben sich die Fromms für das in Gevierte aufgeteilte Dach einen einfach zu handhabenden Klappmechanismus einbauen lassen. Die Fromms waren zu ihrer Zeit nicht allein. Außer ihnen gab es noch 199 andere Familien, deren Häuser ähnlich ausgestattet waren.

Welches Fleisch ist koscher? Anhand von Plastikfigürchen lernt man, welche Tiere erlaubt sind: Die Giraffe zum Beispiel. (Foto: Jüdisches Museum Franken/oh)

Im Jahr 1499 waren die Juden aus Nürnberg vertrieben worden und durften sich erst 1850 wieder dort ansiedeln. Die Wiener Gesera, wie die planmäßige Vernichtung der jüdischen Gemeinden 1421 ff heißt, tat das Übrige, so dass zahlreiche Juden im 15. Jahrhundert ein neues Zuhause suchten. Der Dompropst zu Bamberg und der Markgraf zu Ansbach stritten bald um die Anwerbung von Juden, denn für sie war das ein lukratives Geschäft. Juden, die sich in Fürth niederlassen wollten wie die Fromms, mussten ein eigenes Haus bauen und Schutzgeld bezahlen. In Fürth zahlten und bauten 200 wohlhabende Juden. Bis zur Schoah blühte das jüdische Leben auch auf dem Land in ganz Franken. Fürth, das nannte man das fränkische Jerusalem. Im 18. Jahrhundert war jeder vierte Fürther Jude. Heute zählt die Jüdische Gemeinde nurmehr 400 Mitglieder, die meisten von ihnen stammen aus den GUS-Staaten. Auch sie müssen sich mit der Geschichte der fränkischen Land- und Stadtjuden erst vertraut machen. Denn Hitlers Krieg hat kaum einer von ihnen überlebt.

Während des Zweiten Weltkriegs diente die Mikwe der Fromms als Bunker, die späteren christlichen Besitzer waren Metzger und nutzten sie als Schlachthof. Diese wechselvolle Geschichte erzählt eine dunkelhaarige junge Frau so lebendig, als hätte sie die Zeitreise selbst mitgemacht. Daniela F. Eisenstein ist die Chefin hier. Seit 1995 ist das Haus, dessen steile Stufen man mit ihr hinauf- und hinunterklettert, ein Museum und Eisenstein seit 2003 dessen Direktorin. Jetzt also, da sie vom jüdischen Bürgertum nach Flucht und Vertreibung spricht, zeigt sie auf einen der Schätze der an Schätzen so reichen Dauerausstellung, auch dieser ein pars pro toto und als solcher beispielgebend für jüdische Biografien, die sonst längst dem Vergessen anheim gefallen wären.

Es handelt sich um ein so genanntes Memor-Buch aus Wien. Samuel Bermann Fränkel hatte es mitgebracht, als er sich zunächst als Rabbiner in Ansbach und dann in Fürth niederließ. Man blickt auf Buchstaben- und Zahlenkolonnen - der erste Eintrag stammt aus dem Jahr 1633, der letzte von 1670. Es sind die Namen von Märtyrern und bedeutenden Stiftern. Ein seltenes Stück, seltener als die prächtigen Thora-Kronen, -Aufsätze und -Schilder aus getriebenen Silber, die Gewürzbüchsen, Widderhörner und Thora-Wimpel aus der reich bestückten Sammlung Gundelfinger, die einen wesentlichen Teil des bemerkenswerten Bestands ausmacht.

Kleinodien dieser Art findet man auch anderswo, im Jüdischen Museum in Wien, beispielsweise. Aber hier ermüden weder Auge noch Geist an Daten und Fakten über Fertigung und Material. Hier sind die Objekte eingebunden in Lebensgeschichten und dienen zur Erklärung religiöser Riten, die dem Gros der Besucher wahrscheinlich fremd sind.

Denn, anders als in den USA, wo Eisenstein aufgewachsen ist und Jüdisches Teil des gelebten Alltags ist, richtet sich das Jüdische Museum Franken notgedrungen an ein nicht-jüdisches Publikum. Bernhard Purin, Eisensteins Vorgänger, hat jüdisches Leben in Franken in etlichen Publikationen gründlich dokumentiert. Als er im Jahr 2002 nach sieben Jahren und zuletzt unanständigen Querelen um eine umstrittene Ausstellung weg und nach München ging, verabschiedete er sich von einem "untergehenden Schiff", das er verlasse. In den Jahren seitdem hat sich das vermeintlich sinkende Schiff in eine wendige Flotte verwandelt. Zu den Häusern in Fürth und Schnaittach ist am 7. Juni 2015 Schwabach hinzugekommen, und voraussichtlich im Jahr 2018 wird der Erweiterungsbau in Fürth eröffnet. Dann kann Daniela F. Eisenstein, die 2016 über einen jährlichen Etat von 650 00 Euro für alle drei Häuser verfügt, endlich ihre Vorstellungen von einem partizipativen Museum als Lern- und Kommunikationsort verwirklichen.

Ein offenes Haus wünscht sie sich mit einer öffentlich zugänglichen Bibliothek, wo Kinder und Jugendliche einen lebendigen Lernort vorfinden, Besucher sich aber auch im Garten im Innenhof austauschen können oder bei Veranstaltungen informieren in einem neuen Saal, der dann 100 Plätze bereit stellt. Auch über Wechsel- und im besten Fall Wanderausstellungen denkt sie schon nach, wenn sie dafür 2018 über 300 zusätzliche Quadratmeter verfügt. Etwa zum Thema, das sie derzeit umtreibt und mit dem sie den Erweiterungsbau eröffnen will: "Verbotene Liebe", ein weites Feld, religiös, sozial und politisch gesehen.

Ihre didaktischen Ansätze hat sie bereits in Fürth, aber vor allem in Schwabach, wo es so gut wie keinen Bestand an Exponaten gibt, verwirklicht. Zwei äußerst geglückte Animationsfilme über das jüdische Leben in der Judengasse, machen das Manko wett. Hauptschatz des Hauses aber ist die Sukka des Moses Löw Koppel, der die Wände der Laubhütte im ausgehenden 18. Jahrhundert mit gut erhaltenen allegorischen Darstellungen ausmalen ließ. Sie ist ebenfalls einen Ausflug wehrt wie auch das dritte Museum im Bunde, das sich in einer 1570 errichteten Synagoge in Schnaittach befindet, ein in seiner Schlichtheit prächtig restaurierter Raum. Zwei Tage sollte man sich schon Zeit nehmen, um einzutauchen in die fränkisch-jüdischen Welt von gestern. Eine Reise der Trauer über Zerstörtes und des Glücks über Bewahrtes.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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