Rechtsextreme Szene:Brisanter Fund beim Aufräumen

Eine Quelle des Verfassungsschutzes in Hamburg soll eine rätselhafte DVD gefunden haben, in der von einem NSU die Rede ist. Gibt es einen Zusammenhang zur Terrorgruppe gleichen Namens? Die Quelle ist ein wichtiger Zeuge - eine Befragung durch die Ermittler aber nicht so einfach.

Von Tanjev Schultz

Der V-Mann Corelli ist tot, er kann nicht mehr zu der rätselhaften DVD befragt werden, auf der von einem "Nationalsozialistischen Untergrund" und der "NSU/NSDAP" die Rede ist. Gibt es einen Zusammenhang zur rechten Terrorgruppe NSU, der zehn Morde zugeschrieben werden? Um die Frage zu klären, rückt nun ein weiterer Zeuge in den Mittelpunkt: die Person, von der das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg die DVD Ende Februar bekommen haben will. Wie das Amt am Montag offiziell mitteilte, habe diese Person die DVD "beim Aufräumen ihrer Wohnung gefunden".

Es soll Anhaltspunkte dafür geben, dass die DVD im Jahr 2006 von Corelli an die Quelle versandt worden sei. Die Quelle ist eine V-Person des Hamburger Verfassungsschutz, die in der rechtsextremen Szene eingesetzt wird. Corelli wiederum war ein Spitzel des Bundesamts für Verfassungsschutz. Er hatte mindestens einmal Kontakt zu dem späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos, bevor dieser im Jahr 1998 untertauchte. Ob es später noch Kontakt zwischen ihnen gab, ist unklar.

Zu den Hintergründen der DVD könnte womöglich die Quelle aus Hamburg Auskunft geben. Doch das ist nicht so einfach. Der Hamburger Verfassungsschutz pocht darauf, die Identität und Anschrift seiner V-Person zu schützen. Eine Preisgabe des Namens "wäre für diese mit unabweisbaren Gefahren für ihre gesamte Existenz, auch für Leib und Leben, verbunden", teilt das Landesamt mit. Eine anonyme Befragung, bei der auch im Protokoll keine Personendaten auftauchen, wäre demnach aber möglich.

Die Linken-Politikerin Petra Pau erklärte zur Absicht Verfassungsschutzes, mit einer sogenannten Sperrerklärung die Identität des V-Mannes nicht aufzudecken: "Es ist die alte Leier: Quellenschutz geht vor Kriminalitätsbekämpfung." Im NSU-Komplex hatte es immer wieder Situationen gegeben, in denen der Inlandsgeheimdienst wichtige Informationen nicht an die Polizei oder andere Ämter weitergegeben hat, weil angeblich eine Quelle gefährdet gewesen wäre.

Die Hamburger V-Person habe nach bisherigen Erfahrungen "zuverlässig und wahrheitsgemäß" berichtet, so das Landesamt. Nach Darstellung der Behörde wurde die Quelle erst nach dem Jahr 2007 geworben und damit nach der Mordserie des NSU. Die Terroristen sollen ihre Morde in den Jahren 2000 bis 2007 begangen haben.

Das Landesamt übersandte die DVD im März an den Generalbundesanwalt, der das Verfahren zum NSU führt. Dort wird derzeit zu den Hintergründen der DVD ermittelt. Ursprünglich sollte auch Corelli befragt werden, der vom Inlandsgeheimdienst mit einer neuen Identität ausgestattet wurde, nachdem er im Zuge der NSU-Berichterstattung enttarnt worden war. Doch an seinem neuen Wohnort wurde der 39-Jährige im April von Beamten tot aufgefunden. Die Todesursache laut Obduktion: ein diabetischer Schock. Die Erkrankung soll nicht rechtzeitig erkannt worden sein.

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