Obamas Kabinett:Kerry und Hagel - Rückkehr der Veteranen

John Kerry spricht bei Antikriegsdemonstration, 1970

Kriegs-Veteran John Kerry spricht bei einer Antikriegsdemonstration. Genau wie Chuck Hagel, der als Verteidgungsminister im Gespräch ist, könnte Kerry gut zu Obamas Strategie passen. Bild von 1970.

(Foto: REUTERS)

John Kerry und Chuck Hagel kämpften einst in Vietnam. In Obamas Kabinett würden sie für eine zurückhaltende Außenpolitik stehen. Doch während Kerry von der Opposition akzeptiert wird, lehnen die Republikaner ihren Parteifreund Chuck Hagel ab.

Christian Wernicke, Washington

Amerikas Antlitz in der Welt würde ältlich anmuten. Recht bleich, mit kantigen Zügen und Denkerfalten auf der Stirn, in Würde ergraut: So sehen die beiden Köpfe aus, die wohl künftig die US-Außenpolitik verkörpern werden. John Kerry und Chuck Hagel, das jedenfalls verheißen die Gerüchte aus dem Weißen Haus, sollen fortan das Außen- und das Verteidigungsministerium leiten. Das Doppel, so spötteln manche in Washington, mutet rein optisch an wie ein Rückschritt tief ins vorige Jahrhundert, als weiße Männer die US-Politik unter sich ausmachten.

Es wäre die Rückkehr der Veteranen. John Kerry, 69, und Chuck Hagel, 66, sind eine Generation älter als ihr Präsident. Beide haben jahrelang im Senat gedient, der Demokrat sitzt dem außenpolitischen Ausschuss vor, der Republikaner zog sich vor vier Jahren aus der Politik zurück. Sie nennen sich Freunde, sind Gesinnungsgenossen. Denn beide hat die Erfahrung eines Krieges geprägt, den Obama nur aus Kinderzeiten kennt: Vietnam.

Amerikas so blutigen wie letztlich vergeblichen Feldzug in Südostasien haben beide Männer als Soldaten erlebt. Und durchlitten - weshalb sie ein Weltbild eint, das zutiefst zu Obamas bisheriger Außenpolitik passt: Kerry und Hagel sehen ihre Nation als eine Macht mit beschränkten Mitteln - und misstrauen militärischer Gewalt.

John Kerrys Vietnam-Erfahrung ist seit 2004 bekannt. Der Präsidentschaftskandidat hatte zunächst mit seinem (mehrfach dekorierten) Einsatz als Kommandeur eines Schnellboots für sich geworben, ehe eine widerwärtige Schmutzkampagne der Republikaner seinen Leumund und letztlich seine Ambitionen aufs Weiße Haus ruinierten. Seine Gegner hielten Kerry, der als Sohn eines US-Diplomaten zum Teil in Europa aufgewachsen war, vor, dass er nach anfänglicher Zustimmung den Irak-Krieg der Bush-Regierung kritisierte.

Kerry hatte sich der Anti-Kriegsbewegung angeschlossen

Die Skrupel des Demokraten hatten ihre Wurzeln in Vietnam: Nach seiner Rückkehr aus Asien hatte sich der Veteran der Anti-Kriegsbewegung angeschlossen und war 1971 als Kronzeuge gegen den Kurs der Nixon-Regierung aufgetreten. Vor einem Senatsausschuss warf er dem republikanischen Oberkommandierenden vor, er schicke junge Landsleute in einen längst sinnlosen Dschungelkampf, nur weil er nicht als erster US-Präsident einen Krieg verlieren wolle. Kerrys Plädoyer gipfelte in einem Satz: "Wie befehlen Sie einem Mann, als letzter für einen Fehler zu sterben?"

Chuck Hagel, Kerrys wahrscheinlicher Partner im Pentagon, deutet Vietnam heute ähnlich. Lange hatte der mehrfach verwundete Armeesoldat den Sinn seines Kampfeinsatzes verteidigt. Ende der Neunzigerjahre jedoch, als die Archive alte Tonbänder von Telefonaten des demokratischen Kriegspräsidenten Lyndon B. Johnson veröffentlichten, begann der konservative Senator aus Nebraska umzudenken. Hagel musste vernehmen, wie Johnson bereits 1964 in einem Gespräch einräumte, der Kampf in Vietnam sei zwecklos. "Die Unehrlichkeit war erstaunlich, ja wirklich kriminell", hat Hagel 2007 der New York Times erklärt. "Ich kam zu dem Schluss, dass sie unsere Jungs nur benutzt hatten."

Diese Einsicht hatte Folgen. Hagel wuchs zu einem erbitterten Kritiker des Irak-Kriegs heran, zum innerparteilichen Gegner der Bush-Regierung. Als die Regierung 2007 sogar noch 30 000 zusätzliche Soldaten nach Bagdad entsandte, zog Hagel empört gegen "diesen größten außenpolitischen Fehler seit Vietnam" zu Felde.

Hagel wurde zum Paria seiner Partei. 2008 trat er ab und warb für die Wahl Obamas. Das haben ihm viele Republikaner nie verziehen. Auch deshalb droht Obama, falls er Hagel nominiert, massiver Widerstand im Kongress. Verkehrte Welt: Während die konservative Opposition signalisiert, der Demokrat Kerry werde "ohne Zweifel oder Probleme" vom Senat als Außenminister bestätigt, droht sie Hagel, dem vermeintlichen Parteifreund, mit Sperrfeuer.

Hagel hatte es gewagt, Israel zu kritisieren - und vergriff sich im Ton

Allen voran neokonservative Vordenker der Rechten wettern - und sie halten Hagel dabei nun Worte und Taten vor, mit denen sich dieser oft brummige, zutiefst unabhängige Geist von der Bush-Regierung abgesetzt hatte. Hagel, der außenpolitische Realo, hat damals mehr als einmal gegen einen schärferen Kurs gegenüber Iran votiert.

Und er wagte es auch mehr als einmal, Israel zu kritisieren. In einem Interview polterte Hagel damals gegen den Einfluss pro-israelischer Gruppen auf die republikanische Kongressfraktion - und vergriff sich in der Wortwahl: "Die jüdische Lobby schüchtert hier eine Menge Leute ein." Er fühle sich "als US-Senator, nicht als Israels Senator". Längst hat Hagel eingeräumt, er hätte statt "jüdisch" lieber "proisraelisch" sagen sollen. Dennoch griff ein anonymer außenpolitischer Berater der Republikaner das Zitat dieser Tage wieder auf. Bei der Anhörung im Senat werde man "sicherstellen, dass jeder Amerikaner weiß, dass er ein Antisemit ist".

Beide passen gut zu Obamas außenpolitischen Kurs

Ausgerechnet jener Nahost-Experte, der 2008 Hagels Patzer öffentlich machte, eilt dem Minister in spe nun zur Hilfe. Aaron David Miller, Analyst am Woodrow Wilson International Center, sagt, Hagel sei als Verteidigungsminister eh nicht für die Konzeption der US-Außenpolitik zuständig. Aber er passe im Pentagon haargenau zu Obamas eher zurückhaltendem, strikt realpolitischem Kurs: "Seine Vorsicht und seine Erfahrung aus den Vietnam-Jahren stimmen mit dem überein, wo der Präsident steht."

Dabei ist Hagel, das räumen anonym selbst Freunde des Ex-Senators ein, kein konzeptioneller Denker. Europäische Beobachter fühlen sich eher an Javier Solana erinnert, jenen Spanier, der einst die EU-Außenpolitik koordinierte. Hagel ist ein Kontaktpolitiker, ein Schulterklopfer und Netzwerker, keiner, der Konzepte schmiedet. Aber das will Obama wohl auch nicht. Vielmehr soll Hagel als Minister dem Pentagon und den widerspenstigen Generälen das Sparen beibringen: Das Budget wird schrumpfen, und dazu passt ein Freisinniger, der als Senator finanzpolitisch stets konservativ votierte. "Ich denke, das Pentagon muss beschnitten werden", hat Hagel der Financial Times vor einem Jahr anvertraut. Da ahnte er noch nicht, dass diese Aufgabe auf ihn selbst zukommen würde.

Kerry war für Obama im Sudan, in Afghanistan und Pakistan

Auch das Job-Profil von John Kerry ist exakt geschnitten. Obama will wie bisher die Außenpolitik aus dem Weißen Haus führen - und John Kerry hat sich dabei wiederholt als hilfreicher Diener erwiesen. Der Vorsitzende des außenpolitischen Senatsausschusses habe "vier Jahre lang Obamas Wasser geschleppt", urteilt Michael Hirsh im National Journal. Im Kongress kämpfte Kerry erfolgreich für die Ratifikation des Raketenabkommens mit Russland (START).

Und mehrmals ging der Senator auf heikle Mission. Im Sudan agierte er als Vermittler, vor allem aber am Hindukusch: Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai rang er in stundenlangen Seelengesprächen die Zustimmung zu einer zweiten Wahl ab, in Pakistan glättete Kerry die Wogen, nachdem ein US-Kommando dort den Terrorchef Osama bin Laden aufgespürt und getötet hatte.

Kerry und Hagel sind Politiker der alten Schule. Was auch heißt, dass sie zutiefst überzeugte Atlantiker sind. Die Nato, so verkündete Hagel neulich, sei "die einzige wirkliche Sicherheitsinstitution in der Welt". Sie werden sich, ganz im Sinne ihres Dienstherrn, mit dem Kopf nach Asien wenden. Aber die Herzen der beiden Veteranen schlagen für Europa.

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