Herbizide in der Landwirtschaft:Gift im Getreide

Das Spritzmittel Glyphosat wird auf immer mehr Feldern und Gartenbeeten ausgebracht. Nun haben Wissenschaftler das Gift im Urin von Menschen nachgewiesen. Ein Hinweis, dass sich der Wirkstoff entgegen den Versprechen von Produzenten in der Nahrungskette anreichert und nicht so rasch abbaut.

Silvia Liebrich

Frisch und knusprig sollen sie sein. So mögen die Deutschen ihre Frühstücksbrötchen am liebsten. Und eines sollen sie ganz bestimmt nicht enthalten: Rückstände von Glyphosat, jenes umstrittenen Giftes, das die Landwirte in diesen Tagen, kurz vor der Ernte, in großen Mengen auf den Getreidefeldern versprühen. Der Wirkstoff ist in zahlreichen Spritzmitteln enthalten und soll das Unkraut auf den Äckern vernichten. Doch das Pflanzengift steht unter einem schweren Verdacht. Wissenschaftler finden immer mehr Hinweise, dass Glyphosat gefährlicher ist, als von den Herstellern angegeben. So könnte es bei Menschen und Tieren das Erbgut schädigen und Krankheiten wie Krebs auslösen.

Brot und Brötchen in einer Bäckerei

Gift im Frühstücksbrötchen? Noch ist unklar, ob und wie stark Brötchen mit dem Gift belastet sind.

(Foto: dpa)

Eine noch nicht veröffentlichte Studie der Universität Leipzig kommt nun ebenfalls zu einem alarmierenden Ergebnis. "Wir haben Glyphosat im Urin von Menschen, Nutztieren und wild lebenden Tieren nachgewiesen, in fast allen Proben", sagte Professorin Monika Krüger am Freitag der Süddeutschen Zeitung. Sie leitet das Institut für Bakteriologie und Mykologie, das die Untersuchung durchführt. "Dies ist ein bedenkenswertes Ergebnis. Es zeigt, dass Glyphosat höchstwahrscheinlich mit der Nahrung aufgenommen und dann über die Niere ausgeschieden wird."

Krüger und ihre Kollegen forschen an einer Methode zum sicheren Nachweis von Glyphosat. Bisher gibt es hierfür noch kein abschließendes Analyseverfahren. Unter anderem haben die Wissenschaftler im vergangenen Dezember eine Gruppe von Angestellten, Journalisten und Anwälten untersucht, die in ihrem Alltag nicht mit Pestiziden in Berührung kommen. Bei allen Probanden konnte das Gift im Urin nachgewiesen werden. Ein Hinweis, dass sich der Wirkstoff entgegen den Versprechen von Produzenten in der Nahrungskette anreichert und sich nicht so rasch abbaut.

Umweltschützer fordern einen sofortigen Stopp für den Einsatz des umstrittenen Mittels in der Landwirtschaft. "Da sich die Pestizide nicht so rasch abbauen, enthält das frisch geerntete Getreide noch große Mengen des aggressiven Pflanzengifts", warnt Anja Sobczak vom Umweltinstitut München. "Eine Kontrolle des Getreides auf Giftrückstände findet so gut wie nicht statt."

Zwischen 2002 und 2010 seien nur 42 Proben untersucht worden. Es gebe keine verlässlichen Angaben darüber, ob und wie stark etwa Brötchen mit dem Gift belastet seien. Auch die Leipziger Wissenschaftlerin Krüger kritisiert, dass die Risiken des Wirkstoffs viel zu wenig erforscht seien. "Wir wissen nicht, welche Mengen für Erkrankungen des Menschen relevant sind." Unklar sei auch, welche Auswirkungen Glyphosat auf den Stoffwechsel im menschlichen Körper habe. "Da gibt es noch erheblichen Forschungsbedarf."

Glyphosat ist ein sogenanntes Herbizid und gehört zu den weltweit meistgenutzten Spritzmitteln in der Landwirtschaft. In Südamerika wird es großflächig auf Sojafeldern eingesetzt. Dort laufen bereits Klagen von Anwohnern, die Gesundheitsschäden und Todesfälle in Zusammenhang mit dem Gift bringen. Auch bei deutschen Hobbygärtnern sind glyphosathaltige Mittel beliebt, Bahnstrecken werden damit von lästigem Pflanzenbewuchs befreit.

Entwickelt wurde das Herbizid vom amerikanischen Agrarkonzern Monsanto, der es als "Roundup" verkauft. Er brachte auch gentechnisch veränderte Sojasorten auf den Markt, die gegen das Mittel resistent sind. Seit der Patentschutz vor einigen Jahren ausgelaufen ist, nutzen auch andere Hersteller den Wirkstoff Glyphosat, dazu gehören etwa die Chemiekonzerne Bayer und Syngenta.

Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sind 75 Präparate in Deutschland zugelassen. Obwohl Wissenschaftler und Umweltschützer seit Jahren davor warnen, nimmt der Verbrauch in Deutschland drastisch zu. Seit Ende der neunziger Jahre hat er sich nach den Zahlen des BVL fast verdoppelt, auf 15.000 Tonnen pro Jahr. 2012 wäre eigentlich eine routinemäßige Risikoüberprüfung des Wirkstoffs auf EU-Ebene fällig geworden, doch die wurde offensichtlich auf Anraten deutscher Behörden auf 2015 verschoben, wie aus einer Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervorgeht.

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